Nahtoderfahrung

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Der Flug zum Himmel (Hieronymus Bosch)

Nahtoderfahrungen umfassen einen weiten Bereich individueller Erfahrungen mit überwiegend charakteristischen Erlebnismustern am Rande des Todes.

Vielen Nahtoderfahrungen sind bestimmte Empfindungen wie „Frieden“, Liebe und Glück, und Erlebnismuster wie Blick in einen „Tunnel“, Verlassen des eigenen Körpers, Begegnungen mit Toten oder übernatürlichen Wesen oder eine Rückschau auf das eigene Leben gemeinsam, die als Erlebniswirklichkeiten beschrieben werden. Auch negative Nahtoderfahrungen sind von einzelnen Personen berichtet worden.

Das Phänomen wurde in zahlreichen dedizierten Untersuchungen wissenschaftlich untersucht ohne bisher eindeutige Beweise für oder gegen die Theorie einer Realitätswirklichkeit der gemachten Erfahrungen feststellen zu können. In der klassischen Medizin beschäftigt sich die Neuropsychologie und die Psychologie/Psychiatrie mit diesem Thema. Im Bereich der spirituellen Deutung dieser Phänomene existieren Interpretationen in vielen Religionen und verschiedenen Strömungen der Esoterik.

Weiterhin existieren auch viele Reaktionen in Kunst und Kultur.

Inhaltsverzeichnis

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Einführung

Es gibt keine einheitliche und umfassende Klassifizierung der Umstände und Elemente von Nahtoderfahrungen. Erschwerend für die Klassifizierung ist die Nähe einiger Nahtoderfahrungen zu Träumen, Oneiroid-Syndromen, Halluzinationen, Illusionen, Wahnvorstellungen und autosuggestiven Elementen.

Nahtoderfahrungen umfassen Wahrnehmungen von bewusstlosen, wie auch von klinisch toten Personen. Im weiteren Sinne auch Visionen von Sterbenden, sogenannte Totenbettvisionen, und Erfahrungen von Menschen, die in lebensgefährliche Situationen geraten sind, diese aber überlebt haben.

Beispiele für Nahtoderfahrungen und verwandte Erfahrungen

Paradies, Mitte 15. Jh., Giovanni di Paolo

Es gibt drei miteinander verwandte Erfahrungstypen, die gelegentlich unter dem Begriff Nahtodeserfahrung zusammengefasst werden. Gemeinsam haben sie, dass sie im Zusammenhang mit Lebensgefahr unterschiedlicher Art auftreten. Sie unterscheiden sich jedoch in der Art der Lebensgefahr und in der Häufigkeit der einzelnen Nahtodeserfahrungselemente.

Nahtoderfahrungen

Nahtoderfahrungen im engeren Sinne sind diejenigen Erfahrungen, die auftreten, während der Körper in einem lebensbedrohlichen Zustand ist und der Betreffende bewusstlos scheint.

Totenbettvisionen

Die Allegorie auf den Tod des Dauphins stellt dar, was ein Sterbender in einer Totenbett-Vision sehen könnte

Totenbettvisionen treten bei Patienten auf, die im Sterben liegen, bevor sie das Bewusstsein verlieren.

Fear-Death-Experiences

Als Fear-Death-Experiences werden Erfahrungen bezeichnet, die in lebensgefährlichen Situationen auftreten, oft ohne dass der Betroffene dabei verletzt wird. Der Name ist irreführend, da die Betroffenen zwar damit rechneten zu sterben, aber oft angeben, keinerlei Angst empfunden zu haben.

Während für die beiden anderen Erfahrungstypen kein biologischer Auslöser eindeutig nachzuweisen ist, wird die Fear-Death-Experience eindeutig durch die Erkenntnis des Betroffenen ausgelöst, dass er in Lebensgefahr schwebt. Dies führt zu einer maximalen Aktivierung des Körpers mit erhöhter Reaktionsgeschwindigkeit, die subjektiv als Zeitlupenphänomen erlebt wird.[1]

Nahtoderfahrungen bei Suizidversuchen

In den Anfängen der Nahtod-Forschung wurde die Ansicht verbreitet, dass Suizidanten überwiegend negative Nahtoderfahrungen hätten. Moody behauptet in „Leben nach dem Tod“, in allen ihm bekannten Fällen von suizidbedingten Nahtoderfahrungen hätten die Betroffenen von höllen-ähnlichen Erfahrungen oder gar einer „Strafe für ihren ‚Verstoß gegen die Regeln‘ “ gesprochen, und dass diese Berichte allesamt im Einklang mit den „uralten theologischen und sittlichen Gründen gegen den Freitod“ stünden (während Moody an anderer Stelle des Buches die Übereinstimmung von Nahtoderfahrungen mit biblischen Vorstellungen von Himmel und Hölle bestreitet).[2] Nahtod-Forscher wie etwa der US-amerikanische Psychologie-Professor Kenneth Ring haben hingegen schon früh nachweisen können, dass zwischen Menschen, die nach einem Suizidversuch gerettet werden konnten, und denen, die aus einem anderen Grund „fast“ gestorben sind, kein statistisch signifikanter Unterschied hinsichtlich der Nahtoderfahrungen besteht.[3]

Nahtodeserfahrungsähnliche Situationen unabhängig von Lebensgefahr

Während die meisten der typischen Nahtodeserfahrungen im Rahmen von lebensgefährlichen Krankheiten auftreten, erleben einige Menschen einzelne Nahtodeserfahrungselemente oder auch typische Nahtodeserfahrungssequenzen außerhalb von lebensgefährlichen Situationen. Sie treten besonders bei Meditationen, Ruhe und Entspannung auf (siehe außerkörperliche Erfahrung), aber auch in Träumen, bei Stress, Übermüdung oder unter Drogeneinwirkung[4][5][6] oder werden absichtlich herbeigeführt (neben Meditation z. B. Hemi-Sync-Methode).

Elemente

Erlebnisinhalte

Sabom verglich die Berichte der Betroffenen von ihren außerkörperlichen Erlebnissen mit dem Operationsbericht und prüfte als ausgebildeter Kardiologe zusätzlich, ob die Beschreibungen der Wiederbelebungen den üblichen Vorgängen bei solchen Wiederbelebungen entsprechen. 26 der 32 Berichte enthielten nur sehr allgemeine Eindrücke und es waren auch bei gezielten Nachfragen keine genauen Einzelheiten zu erfahren. Sechs Berichte beschrieben auch Details der Wiederbelebung. Alle diese sechs traten im Rahmen eines Herz-Kreislaufversagens auf. Sowohl bei den ungenauen als auch bei den detaillierten Berichten stimmten die vorhandenen Beobachtungen mit dem realen Verlauf der Wiederbelebung überein und es wurden nur Dinge beobachtet, die man tatsächlich auch bei einer derartigen Wiederbelebung hätte beobachten können.[1] Jedoch enthält nicht jede außerkörperliche Erfahrung eine zutreffende Beschreibung der Realität.
  • Erkennen des eigenen Todes
  • Ein großer Teil der Betroffenen beschreibt einen Übergang, der am häufigsten als Durchgang durch einen Tunnel beschrieben wird, an dessen Ende helles Licht zu sehen ist.[7][8]
  • Manche Betroffene besuchen das Jenseits; je nach Studie in einem Zehntel bis zwei Drittel der Nahtod-Erlebnisse.[9][10][7]
  • Verwandte oder übernatürliche Gestalten kommen, um den Betroffenen abzuholen: Schon in den von Papst Gregor dem Großen gesammelten Berichten erscheinen Apostel, Verwandte oder Freunde zur Abholung.[11][12] In den von Osis und Haraldson untersuchten Totenbettvisionen aus Indien und Amerika kommen solche Wesen in etwa 78 % der Fälle vor; bei den Amerikanern überwiegend verstorbene Verwandte, in Indien eher religiöse Figuren. Auch Lebende können in Nahtoderfahrungen auftauchen.[4]
  • Lebende tauchen in Nahtoderfahrungen sehr selten auf - und wenn dann in dem Zusammenhang, dass sie den Sterbenden ins Leben zurückziehen wollen. Ein Hauptunterschied zwischen Totenbettvisionen und Halluzinationen von Todkranken ist, dass Betroffene mit halluzinativer Krankengeschichte überwiegend Lebende sehen, während in Totenbettvisionen ohne halluzinative Faktoren vor allem Tote erscheinen.
Darstellung des göttlichen Lichtes
  • „Höhere Wesen“: In 40–77 % der Nahtoderfahrungen begegnet die Person einem „höheren Lichtwesen“.[13] Das Licht wird je nach Religionszugehörigkeit als Sonne, Gott, Engel oder als Widerspiegelung des höchsten Bewusstseinszustandes des Menschen identifiziert.[14][15][16][9][7][8]
  • Als Lebensbilderschau, Lebensrückblick oder -film können während des Nahtod-Erlebnisses Ereignisse aus der eigenen Vergangenheit vor dem inneren Auge ablaufen. Diese Phase des Nahtod-Erlebnisses tritt etwa in einem Drittel der Berichte über Nahtoderfahrungen auf.[9][7] In Nahtoderfahrungen von vor Beginn der Neuzeit oder aus Ländern der Dritten Welt wie Indien wird der Lebensfilm meist durch eine Bewährungsprobe, eine Gerichtsszenerie oder ein Lebensbuch ersetzt.[17][18][10][4]
Eine Mauer um den Himmel
  • In 8-29 % der Nahtoderfahrungen taucht im Jenseits eine Grenze, Mauer oder ähnliches auf, die der Betroffene nicht überschreiten darf, wenn er nicht endgültig sterben soll.[15][9][13][2]
  • Rückkehr: In einigen Nahtoderfahrungen erscheinen die Wiederbelebungsmaßnahmen als Grund der Rückkehr. Es kann aber auch eine bewusste Entscheidung zur Rückkehr erlebt werden. In 72 % der von Fenwick untersuchten amerikanischen Nahtoderfahrungen wurde eine definitive Rückkehrentscheidung getroffen. Etwa die Hälfte der Betroffenen traf die Entscheidung selbst. Rückkehrentscheidungen sind bei Kindern seltener (52 %) und bei Jugendlichen (70 %) und Erwachsenen (75 %) zunehmend häufiger. Wobei Kinder und Erwachsene die Entscheidungen in der Hälfte der Fälle selber trafen, während das bei Jugendlichen nur in einem Drittel der Fälle vorkam.[4]
  • Bestätigung des Erlebten: Die Betroffenen haben oft den Eindruck, dass sich Beobachtungen, die sie im Rahmen von Nahtoderfahrungen gemacht haben, bestätigten, vor allem die außerkörperlichen Erlebnisse.[1][7][2][17][10][19][20]

Emotionen

  • Glücksgefühl: Für viele Menschen sind starke Gefühle von Schmerzfreiheit, Frieden, Freude und Glücksseligkeit der bemerkenswerteste Teil ihrer Erfahrung.[4][7][2][1]
  • Präkognition und Allwissenheitsempfinden: In etwa 3−6 % der Nahtodeserlebnisse glauben die Betroffenen, in die Zukunft zu sehen.[9][18][13][7] (Ring untersuchte einige Vorhersagen über den Ausbruch von Vulkanen, Erdbeben, Naturkatastrophen sowie Hungersnöte und Nuklearkriege. Keine der Prophezeiungen, die sich auf hinreichend konkrete Begebenheiten bezogen hatte, erfüllte sich.[8])

Mystische Erfahrung und Folgen

Nah-Todeserfahrungen weisen die religions- und kulturunabhängigen Eigenschaften mystischer Erfahrungen auf: Einheits-Erleben, Transzendenz von Zeit und Raum, tief empfundene positive Stimmung, Gefühl der Heiligkeit, der Objektivität und Realität, Unaussprechlichkeit, Paradoxie und Flüchtigkeit des Erlebens sowie anhaltende positive Veränderung in Einstellung und Verhalten. Damit sind Nahtodeserlebnisse die häufigsten mystischen Erfahrungen überhaupt.[17][10]

Menschen, die ein Nahtodeserlebnis hatten, glauben dauerhaft stärker an ein Leben nach dem Tod. Je länger die lebensgefährliche Situation her ist, desto größer ist diesbezüglich der Unterschied zwischen denen, die eine Nahtodeserfahrung hatten und denen, die keine hatten.[15][21][18][22] Pathologische Trauerreaktionen auf den Tod von Angehörigen nehmen deutlich ab, da man von deren Weiterexistenz überzeugt ist.[23] Viele Menschen sind nach einem Sterbeerlebnis auch von der Existenz Gottes überzeugt und geben religiösen und ethischen Werten in ihrem Leben Vorrang.[9][18][10][24][22][25] Eine Hinwendung zu sozial-karitativen Tätigkeiten, eine höhere Wertschätzung von Sinnfragen, aber auch der eigenen Person und der Kürze und Kostbarkeit der Lebenszeit werden beschrieben.

Ursachen

In der Literatur werden verschiedene Phänomene diskutiert, die für die Erklärung von Nahtoderfahrungen herangezogen werden.

Halluzinationen

Aus der Psychopathologie sind autoskopische Halluzinationen bekannt, bei denen jemand ein Bild von sich selbst außerhalb seines eigenen Körpers sieht, ähnlich der außerkörperlichen Erlebnisse.[10][26][27][28][8] Heinrich Klüver hat in den 1930er Jahren aus optischen Halluzinationen abstrakte Grundformen isoliert, deren Entstehung er dem Auge und dem Zentralnervensystem zuschrieb. Eines dieser Grundmuster ist ein Tunnel.[8][29] Patienten im Delirium leiden häufig unter alptraumartigen Halluzinationen, in denen Tiere, oft auch Insekten, vorkommen. Das Denken verläuft sprunghaft, ungeordnet und ohne Ziel. Die Patienten schauen ihren Sinnestäuschungen scheinbar unbeteiligt zu, als ob sie sich in einiger Entfernung auf einer Filmleinwand abspielten.[17][7]

Träume

Die Nahtodeserfahrung wurde mit Traumtypen verglichen, insbesondere mit Klarträumen, Oneiroiden und dem G-LOC-Dreamlet (Bewußtseinsverlust von Jetpiloten durch hohe Fliehkräfte).[21] Klarträume haben mit den Nahtodeserfahrungen gemeinsam, dass die Erfahrenden sich bewusst sind, dass ihr Erleben sich vom wachen Alltag unterscheidet. Oneiroide sind Träume, bei denen der Erlebende sich als wach empfindet. Sie treten bei langdauernder Bewusstlosigkeit auf. In einer repräsentativen Befragung von 2000 Deutschen, die von Schröter-Kunhardt durchgeführt wurde, enthielten 27 % der Nahtoderfahrungen auch oneiroidale Traumsequenzen. Umgekehrt gibt es auch viele Oneiroide, die einzelne Nahtodeserfahrungselemente enthalten.[9][17][21][10][13][8][30]

Depersonalisation

Bei der Depersonalisation handelt es sich um eine krankhafte Selbstwahrnehmung, bei der die betroffene Person den Eindruck hat, dem eigenen Bewusstsein fremd gegenüberzustehen und ohne eigene Anteilnahme zu agieren. Mit der Nahtodeserfahrung hat die Depersonalisation gefühlsmäßige Distanzierung von der materiellen Realität und eine Entfremdung vom eigenen Körper und der Umwelt gemeinsam. In 19–26 % der Fälle treten auch im Rahmen der Depersonalisation außerkörperliche Erlebnisse auf. Wie das außerkörperliche Erlebnis ereignen sich auch Depersonalisationen häufig bei sonst gesunden Menschen, bei cerebraler Aktivierung und in lebensbedrohlichen Situationen. Depersonalisationsphänomene werden allerdings im Gegensatz zu Nahtodeserlebnissen bei Kindern und Menschen über 45 Jahren nicht beobachtet, und sie chronifizieren oft.[18] Es überwiegen negative Gefühle wie Empfindungslosigkeit, Angst, Panik, Fremdheits- und Krankheitsgefühl. Selbst- und Realitätsgefühl sind beim Nahtodeserlebnis oft deutlich gesteigert.[17][10][24][8]

Dissoziation

Da in einer Nahtodeserfahrung die Persönlichkeit als vom Körper, seinen Schmerzen und den damit verbundenen Ängsten abgelöst erlebt wird, handelt es sich hierbei definitionsgemäß um eine dissoziative Erfahrung.

Russel Noyes hat über 200 Berichte von Personen, die eine tödliche Gefahr überlebt hatten, gesammelt und sich dabei auf Unfallopfer konzentriert. Es handelte sich also weitgehend um Fear-Death-Experiences. Seiner Ansicht nach löst eine plötzliche Gefahr einen Alarm des Zentralnervensystem aus, „der einen situationsangepassten neuralen Mechanismus freisetzt, der erhöhte Wahrnehmung mit einer Dissoziation des Bewusstseins von dieser Wahrnehmung verbindet“. Dabei beruft sich Noyes auf die Neurologen Harper und Roth, die jene Kombination von Wahrnehmung und Hemmung auch bei bestimmten epileptischen und „phobischen Angst-Depersonalisations“-Syndromen vermuten.[8]

Erhöhte Kohlendioxidkonzentration im Blut bei Nahtoderfahrungen

Die Forscher Zalika Klemenc-Ketis, Janko Kersnik und Stefek Grmec berichteten im April 2010 von Untersuchungen, in denen bei Patienten mit Herzstillstand und einer Nahtoderfahrung eine signifikant höhere Kohlendioxidkonzentration und ein erhöhter Kaliumspiegel im Blut gefunden wurden. Als Vergleich dienten Patienten mit Herzstillstand ohne Nahtoderfahrung, bei denen diese signifikanten Erhöhungen fehlten. Einschränkend betonen aber die Forscher, dass Kohlendioxid nicht den Detailreichtum und die Klarheit einer Nahtoderfahrung erklären kann und das unterscheide Nahtoderfahrungen von einem künstlich ausgelösten Kohlendioxid-Rauschzustand.[31]

Sauerstoffmangel

Einige Autoren nehmen an, dass Nahtodeserlebnisse auf Sauerstoffabwesenheit im Gehirn (zerebrale Anoxie), Sauerstoffmangel (Hypoxie) oder einen Überschuss an Kohlendioxyd (Hyperkapnie) zurückzuführen seien.[10][32][33] Es wurde vorgeschlagen, dass der Sauerstoffmangel bewirken könnte, dass die Hemmung der Sehrinde durch den Schläfenlappen, die, wenn das Gehirn normal funktioniert, immer vorhanden ist, wegfällt oder abgeschwächt wird. Da die Sehrinde so organisiert ist, dass viele Zellen dem Zentrum des Gesichtsfeldes zugeordnet sind und wenige dem Rand, könnten zufällige Erregungen des Schläfenlappens zu dem Eindruck führen, dass es in der Mitte des Gesichtsfeldes hell und am Rande dunkel sei, was wie ein Tunnel wirken könne.[34][17]

Ein Phänomen, bei dem die Sauerstoffversorgung des Gehirns vermindert ist, ist der Gravity Loss of Conciousness (Bewusstseinsverlust durch Schwerkraft) von Kampfpiloten. James Whinnery hat über einen Zeitraum von 16 Jahren eine Studie mit über 1000 G-LOCs durchgeführt. Bei einem Durchschnittsalter von 32 Jahren dauerte der G-LOC etwa 12 Sekunden, wobei es bei 70 % der Personen zu Schüttelkrämpfen kam. Rund 50 % der Betroffenen erkennen ihren G-LOC nicht auf Anhieb und sind bei einer Videovorführung entsprechend erschüttert. Entsprechend dem Grad dieser Bewusstheit spricht Whinnery von vier G-LOC-Typen, die dabei den Grad der Blutleere widerspiegeln sollen. Nur beim intensivsten Typ würde ein Dreamlet berichtet. Bei hoher Schwerkraft werden zuerst die am weitesten von der versorgenden Ader entfernten Ränder der Netzhaut nicht ausreichend versorgt. Das Bild verliert vom Rand her seine Farbe und wird dann vom Rand zur Mitte hin nach und nach dunkler. Es entsteht eine Tunnelvision, manchmal auch ein völliger Visionsverlust, die auf die mangelnde Durchblutung der Retina zurückzuführen sind.[24][8][35]

Drogen und körpereigene Botenstoffe

Halluzinogene wie LSD, Meskalin, Ketamin und Haschisch rufen vereinzelt alle Nahtodeserlebnis-Elemente bis hin zu vollständigen Nahtodeserlebnis-Sequenzen auf. Deshalb gehen einige Autoren davon aus, dass die entsprechenden körpereigenen Botenstoffe und die zuständigen Rezeptoren im Gehirn für die Nahtodeserfahrungen verantwortlich seien und die Nahtodeserfahrungen komplexe halluzinatorische Erfahrungen seien.[15][16][36][17][10][23][24][8][37]

Schläfenlappenaktivität und Epilepsie

Das Nahtodeserlebnis benötigt höhere Hirnfunktionen[24] Morse und Kollegen haben ein Modell vorgeschlagen, das auf dem Neurotransmitter Serotonin basiert und die Schritte bis zur Auslösung von Nahtoderfahrungen erklären soll. Dabei wird dem Schläfenlappen (auch Temporallappen genannt), eine zentrale Bedeutung beigemessen. Dieses Großhirnareal beherbergt mit Amygdala und Hippocampus zwei wichtige Bestandteile des limbischen Systems, bei denen vieles darauf hindeutet, dass sie an der Nahtodeserfahrung beteiligt seien könnten. Durch Reizungen der rechten Schläfenregion der Gehirnrinde im Bereich (zumeist unterhalb) des Sulcus lateralis (Gyrus temporalis superior et medius) lassen sich außerkörperliche Erlebnisse hervorrufen und das Gefühl, der Körper würde sich verformen, kann auftreten.[34][17][18][10][8][33]

Auch bei epileptischen Anfällen, besonders bei möglichen Temporallappenepilepsien (PTLE), wurden außerkörperliche Erlebnisse beobachtet