Voynich-Manuskript

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Textprobe aus dem Voynich-Manuskript
Illustrationsbeispiel
Aufgeschlagenes Manuskript (Nachbildung) mit ausgeklappter Seite

Das Voynich-Manuskript (benannt nach Wilfrid Michael Voynich, der das Manuskript 1912 erwarb) ist ein Schriftstück, das vermutlich zwischen 1404 und 1438 in Norditalien geschrieben wurde. Der Text ist in einer unbekannten Schrift und Sprache geschrieben, sein Inhalt konnte bis heute nicht entschlüsselt werden. Im Manuskript vorhandene Abbildungen erinnern an botanische, anatomische und astronomische Zusammenhänge und wurden mit Sorgfalt[1][2] gezeichnet. Das Manuskript befindet sich seit 1969 unter Katalognummer MS 408 im Bestand der Beinecke Rare Book and Manuscript Library der Yale University.

Inhaltsverzeichnis

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Geschichte des Manuskripts

1962 datierte ein Expertenteam die Handschrift aufgrund von Material und Schreibstil auf etwa 1500 n. Chr.[3] Doch die Provenienz (die Folge der Vorbesitzer) konnte bislang nur lückenhaft und nicht mit Sicherheit ermittelt werden.

Da der Inhalt bisher nicht entschlüsselt werden konnte, stützt die Datierung des Manuskripts sich lediglich auf die Illustrationen. Aufgrund der Hinweise aus Kleidung und Haartracht sowie einiger weiterer Anhaltspunkte wird das Manuskript von den meisten Experten in den Zeitraum zwischen 1450 und 1520 datiert.

Erst 2009 wurden an Instituten in Chicago und Arizona kleinste Proben von vier verschiedenen Seiten untersucht. In einer Radiokarbonanalyse[4] konnte das Alter des verwendeten Pergaments mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Zeitraum zwischen 1404 und 1438 bestimmt werden. Vermutlich sind alle Seiten gleichen Ursprungs.[5][2] Ferner haben Experten des McCrone-Forschungsinstitutes zu Chicago festgestellt, dass die Tinte nicht wesentlich später aufgetragen wurde.

Bildausschnitt von Seite 86v, der eine Burg mit Schwalbenschwanzzinnen zeigt.

Details in den Illustrationen, insbesondere die Schwalbenschwanzzinnen, ließen die Redakteure einer ORF-Sendung eine Entstehung der Handschrift in Oberitalien vermuten, da diese Zinnenform in der fraglichen Zeit nur dort belegt sei.[6] Die Frührenaissance Norditaliens war auch eine Hochburg der frühneuzeitlichen Universalgelehrten und der Kryptologie.[7]

Aus dem kaum leserlichen und wohl nicht eigenhändigen Namenseintrag Jacobj ’a Tepenece auf der ersten Seite des Manuskripts lässt sich, falls sie echt ist, schließen, dass der böhmische Hofpharmazeut Jakub Horcicky de Tepenec das Exemplar zur Lektüre in Händen hatte oder sogar sein Eigentum nannte. Da schon sein Adelstitel verwendet wird, müsste dieser Eintrag erst nach 1608 entstanden sein. In einem mit dem Manuskript gefundenen Brief schreibt dessen vermeintlicher Verfasser, der spätere Besitzer Johannes Marcus Marci, um jenen Zeitpunkt sei Rudolf II. von Habsburg, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Gerüchten zufolge Besitzer dieses Manuskriptes gewesen, nachdem er es für die damals hohe Summe von 600 Dukaten einem unbekannten Händler abgekauft habe. Entweder war Jakub Horcicky dieser Händler, oder, und diese Theorie gilt als wahrscheinlicher, das Manuskript wurde ihm von Rudolf II. für weitere Analysen anvertraut, da er als erfolgreicher Chemiker und Pharmazeut bekannt war.

Marci berief sich bei dieser Geschichte auf seinen Freund Raphael Mnishovsky, einen Rechtsanwalt und Dichter, der unter Rudolf II. an den Prager Hof gekommen war, wo er den späteren Kaiser Ferdinand II. unterrichtete. Marci berichtete auch, Kaiser Rudolf habe geglaubt, Roger Bacon, der franziskanische Polyhistor des 13. Jahrhunderts, sei der Autor des Manuskripts gewesen.

Der nächste bekannte Besitzer war nach dem Begleitbrief Georg Baresch, ein wenig bekannter Alchemist, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Prag lebte. Baresch hatte versucht, den Text zu entschlüsseln, war jedoch (wie bislang alle seine Nachfolger) damit gescheitert. Er wandte sich daher an Athanasius Kircher, einen jesuitischen Universalgelehrten und seinerzeit eine Berühmtheit, dem es angeblich gelungen war, die Hieroglyphenschrift der alten Ägypter zu lesen. Dass die kirchersche Lesung völlig irrig war, stellte sich erst nach der erfolgreichen Entschlüsselung der Hieroglyphen durch Champollion heraus. Zu seiner Zeit galt Kircher jedoch als Kapazität im Dechiffrieren rätselhafter Texte, weshalb Baresch ihm eine Kopie der Manuskripttexte zusammen mit der Bitte um eine Expertise zusandte. Kircher scheint darauf jedoch nie reagiert zu haben. Der erste Brief Bareschs scheint verloren, ein weiterer Brief Bareschs an Kircher vom 27. April 1639 konnte jedoch von René Zandbergen im Archiv der Korrespondenz Kirchers gefunden werden.[8][9]

Als nächster Besitzer erbte der bereits erwähnte Johannes Marcus Marci das Manuskript von dem mit ihm befreundeten Baresch (kurz vor 1666). Marci war der Autor des dem Manuskript beigelegten Briefes an Kircher, in dem er Kircher erneut um Hilfe bei der Entschlüsselung der Geheimschrift bat. Zu diesem Zweck wollte er diesmal keine Kopie senden, sondern das Manuskript selbst. Es ist jedoch nicht belegt, dass das Manuskript je in Kirchers Hände gelangte, denn in keinem der nach Kirchers Tod angefertigten Kataloge über seinen wissenschaftlichen Nachlass wird etwas von jenem Manuskript erwähnt.

Was in den über 200 Jahren zwischen 1666 und 1870 mit dem Manuskript geschah, ist bislang unbekannt. Doch da es (nach Aussage Voynichs) Teil einer Bibliothek des Jesuitenordens war, kann vermutet werden, dass das Manuskript sich zusammen mit dem Nachlass Kirchers im Besitz des Jesuitenordens befand, also zunächst der Bibliothek des Collegium Romanum (heute die Päpstliche Universität Gregoriana) gehörte.

Dort blieb es vermutlich, bis der Vatikanstaat im Zuge des Risorgimento von den Truppen Viktor Emanuels II. 1870 annektiert wurde und kirchliches Eigentum von Konfiskation bedroht war. Die Bestände der päpstlichen Universitätsbibliothek wurden eilig den Mitgliedern der Fakultät übertragen, da privater Besitz nicht vom Zugriff des italienischen Staates bedroht war. Darunter befand sich auch der Nachlass Kirchers, der dem damaligen Ordensgeneral Pierre Jean Beckx übergeben wurde. Das Voynich-Manuskript gehörte ausweislich eines Exlibris von Beckx zu diesem Bestand. Beckx’ „Privatbibliothek“ ging schließlich in die Bücherbestände des 1865 gegründeten Jesuitenkollegs Nobile Collegio Mondragone in der Villa Mondragone bei Frascati ein.

Dort wurde es vermutlich 1912 von Wilfrid Michael Voynich entdeckt, der es zusammen mit etwa 30 anderen wertvollen Manuskripten den Jesuiten abgekauft haben will. Dazu Voynichs Fundbericht:

Im Jahre 1912 [...] stolperte ich über eine sehr bemerkenswerte Sammlung kostbarer illuminierter Handschriften. Jahrzehntelang waren sie in Kisten begraben gewesen, wo ich sie in einem alten südeuropäischen Schloss fand. Die Sammlung war dort anscheinend infolge der politischen Unruhen des frühen 19. Jahrhunderts untergebracht worden. […] Während ich die Handschriften in Hinblick auf einen Ankauf wenigstens eines Teils der Sammlung untersuchte, wurde meine Aufmerksamkeit von einem Band besonders angezogen. Es war ein so hässliches Entlein, verglichen mit den anderen, mit Gold und Farben reich verzierten Manuskripten, dass meine Neugier sogleich erregt war. Ich stellte fest, dass es vollständig in einer Geheimschrift geschrieben war. [...] Dass ein Manuskript des 13. Jahrhunderts vollständig in Geheimschrift verfasst war, überzeugte mich von dessen außerordentlicher Bedeutung, da meines Wissens dergleichen in so früher Zeit nicht existierte, weshalb ich es den zu erwerbenden Manuskripten hinzufügte

Voynich[10]

Nach Voynichs Tod im Jahre 1930 erbten seine Frau Ethel und Anne Nill, seine langjährige Sekretärin, das Manuskript. Nach dem Tod von Ethel 1960 war Anne Nill seine alleinige Besitzerin. Sie verkaufte es für 25.000 US-$ an den Buchhändler Hans P. Kraus. Dieser wollte es gewinnbringend weiterverkaufen, fand jedoch keinen Käufer und stiftete 1969 das Manuskript schließlich der Yale-Universität, wo es heute zum Bestand der Beinecke Rare Book & Manuscript Library gehört.

Es ist umstritten, auf welche Weise das Manuskript in Voynichs Besitz überging. Voynich selbst schwieg sich zeitlebens über die genaue Herkunft des Manuskripts aus. Erst durch einen nach ihrem Tode zu öffnenden Brief von Voynichs Witwe Ethel Lilian Voynich an ihre Erbin und Lebensgefährtin Anne Nill wurde die Herkunft des Manuskripts aus dem Mondragone-Kolleg bekannt. Zum anderen war das Manuskript noch 1963 im Katalog der Sammlung von Mondragone verzeichnet.[11]

Inhalt

Umfang und Foliierung

Das Voynich-Manuskript hat die Form eines Kodex, also eines Buches, das aus mehreren Lagen von Pergament-Blättern zusammengeheftet ist. Das Manuskript bestand ursprünglich aus (mindestens) 20 Lagen, von denen zwei (16 und 18) heute verloren sind. Die meisten Lagen sind Quaternionen, umfassten also ursprünglich 8 Blätter, entsprechend 16 Seiten. Die Blätter wurden (vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt) mit einer handschriftlichen Zählung (Foliierung) versehen, die von 1 bis 116 läuft. Ausgehend von dieser Foliierung kann ein seither eingetretener Verlust von Lagen und Blättern (nicht alle Lagen sind vollständig) festgestellt werden. Zum heutigen Zeitpunkt besteht der Kodex nicht mehr aus 116, sondern nur noch aus 102 Blättern. Verweise auf Teile des Manuskripts beziehen sich im Allgemeinen auf diese alte Blattzählung.

Einzelne Blätter wurden wegen ihrer Größe mehrfach gefaltet, wodurch sich Unterseiten ergeben (zum Beispiel ist „f. 67r2“ die zweite Unterseite auf der Vorderseite (recto) von Blatt 67). Das Manuskript umfasst gegenwärtig 102 Blätter, darunter 5 Doppel-, 3 Dreifach-, 1 Vierfach- und 1 Sechsfach-Blatt. Das Seitenformat ist ca. 225 auf 160 mm.

Das Manuskript ist in Pergament gebunden. Der Einband trägt weder Titel noch Autorenvermerk.

Gliederung

Da der Text nicht gelesen werden kann, lässt sich eine Gliederung des Inhalts nur auf die Art der Illustrationen stützen. Das Manuskript enthält eine große Zahl von Abbildungen, die in Tinte ausgeführt und nachträglich koloriert wurden. Die Abbildungen entstanden offenbar vor der Niederschrift des Textes, der sich der Form der Abbildungen anpasst und sie umfließt.

Vermutungen über den Inhalt der Abschnitte sind vor allem dadurch mit Unsicherheiten behaftet, dass der kontextuell-ideengeschichtliche Hintergrund unsicher bis unbekannt ist. Die Abbildung eines Löwen in einem Buch über Tierkunde ist beispielsweise ganz anders zu deuten als in einer Sammlung von Fabeln oder in einem alchemistischen Werk. Der sogenannte „balneologische“ Abschnitt etwa enthält zahlreiche Abbildungen nackter Frauen in Wannen (oder vielleicht auch Teichen), die durch komplexe Röhrensysteme miteinander verbunden sind. Je nach Kontext könnten hier dargestellt sein:

  • schlicht badende Frauen,
  • menschliche (Fortpflanzungs-)Organe,
  • Wein kelternde Frauen,
  • Seelen auf Wanderschaft oder
  • etwas ganz anderes.

Entsprechend der offensichtlichen Gruppierung einander ähnlicher Illustrationen wird das Manuskript üblicherweise wie folgt in Abschnitte gegliedert:

„Kräuterkundliche“ Sektion (f1r–f66v)

Abbildung aus der „kräuterkundlichen“ Sektion (f34r)

Der Abschnitt enthält vorwiegend ganzseitige Abbildungen einzelner Pflanzen, die zwar uns bekannten Pflanzen ähneln, sich jedoch häufig durch entscheidende Details von diesen unterscheiden. Einige Abbildungen erscheinen als größere und genauere Versionen von Abbildungen aus dem Abschnitt „Pharmazie“. Die Gestaltung der Seiten entspricht der von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kräuterbüchern bekannten Gestaltung.

„Astronomische“ Sektion (f67r–f73v)

Abbildung aus der „astronomischen“ Sektion (f68r)

Hier sind ganzseitige, kreisförmige Diagramme mit Sonne, Mond und Sternen abgebildet. Abgesehen von der Beschriftung der Diagramme enthalten die Seiten nur wenig Text. Eine Folge von 12 Seiten (f70v2 – f73v) stellt offenbar Tierkreiszeichen dar. Im Zentrum befindet sich eine das jeweilige Tierkreiszeichen darstellende Abbildung, die umgeben ist von konzentrischen Ringen, auf denen sich je einen Stern haltende Frauen im Uhrzeigersinn bewegen. Teilweise sitzen die Frauen in Zubern oder Fässern, teilweise sind sie nackt. Die Folge der Sternzeichen beginnt mit „Fische“ (statt wie üblich mit „Widder“), darüber hinaus sind die Zeichen „Widder“ und „Stier“ zweimal repräsentiert. Die Darstellungen der Sternzeichen „Wassermann“ und „Steinbock“ fehlen und befanden sich vermutlich auf dem fehlenden Blatt 74.

„Anatomisch-balneologische“ Sektion (f75r–f84v)

Abbildung aus der „anatomischen Sektion“ (f75r)
Abbildung aus der „anatomischen Sektion“ (f78r)

Der sowohl rätselhafteste als auch faszinierendste Abschnitt des Manuskripts stellt auf fast jeder Seite Gruppen nackter Frauen mit gewölbten Bäuchen dar, die in Becken oder Wannen sitzen, die durch Leitungen oder Röhren verbunden sind. Die Leitungen münden häufig in teils organisch, teils mechanisch wirkende End- und Verbindungsstücke. Diese Ambivalenz führte dazu, den Inhalt des Abschnitts sowohl mit anatomischen Gegenständen (z. B. der menschlichen Reproduktion) zu verknüpfen, als auch (dem Augenschein folgend) ihn schlicht als „bäderkundlichen“ (balneologischen) Abschnitt zu bezeichnen.

„Kosmologische“ Sektion (f85r–f86v)

Die Bezeichnung dieses Abschnitts ist eher eine Verlegenheitsbezeichnung. Sie rührt von der oberflächlichen Ähnlichkeit der Abbildungen mit jenen aus der „astronomischen“ Sektion her. Es handelt sich um kreisförmige, rosettenähnliche Darstellungen, die von teils umfangreichem Textmaterial begleitet sind. Besonders bekannt ist die sogenannte „Rosettenseite“ (f85v–f86r), die auseinandergefaltet eine quadratische Anordnung von neun miteinander verbundenen „Rosetten“ zeigt.

„Pharmazeutische“ Sektion (f87r–f102v)

Zu sehen sind Abbildungen von Pflanzen und Pflanzenteilen mit Beschriftungen, sowie von Gefäßen, die an von Apothekern verwendete Behältnisse erinnern, versehen mit einigen kurzen Texten. Vor allem wegen der bunten Gefäße wurden in diesem Abschnitt pharmakologische Inhalte vermutet.

„Rezepte“ und „Schlüssel“ (f103r–f116v)

Hier sind kurze Textabschnitte ohne Illustrationen zu finden, die jeweils mit einem Stern-Symbol eingeleitet werden. Man hat vermutet (insbesondere, da diese Sektion auf die „pharmakologischen“ Seiten folgt), dass es sich um Rezepte für Medikamente oder sonstige kurzgefasste Vorgehensanweisungen handelt.

Auf der letzten Seite (f116v) findet sich der sogenannte „Schlüssel“: ein dreizeiliger Text bestehend aus Zeichen, die einem im 15. Jahrhundert in Deutschland verwendeten Schrifttyp ähneln. Dieser kurze Text diente Newbold (siehe unten) als Einstieg für seinen Entschlüsselungsversuch. Er enthält auch angeblich den Namen Roger Bacons in Form eines Anagramms.

Text und Alphabet

Die Gestalt des Textes als solche erscheint nicht ungewöhnlich: geschrieben wurde von links nach rechts (was an dem etwas ungleichmäßigeren rechten Rand erkennbar ist); die einzelnen Schriftzeichen sind durch kleine Zwischenräume voneinander abgehoben; durch größere Zwischenräume gliedert der Text sich in „Wörter“, und es ist bei längeren Textsequenzen so etwas wie eine Absatzgliederung zu erkennen.

Der Schriftduktus erscheint flüssig, als wäre der Schreiber in Sprache und Schrift des Manuskriptes geübt gewesen, im Gegensatz zu den beim „Abmalen“ der Zeichen einer unbekannten Schrift üblichen Unsicherheiten. Das Fehlen von Korrekturen ist ein Indiz dafür, dass eine Vorlage des Textes existierte, von der abgeschrieben wurde. Nach den Untersuchungen von Prescott Currier in den 1970-er Jahren lassen sich zwei oder mehrere Schreiber und Schriftstile unterscheiden. Neuere Analysen stellen die Richtigkeit dieser Beobachtung in Frage. Ein Handschriftenexperte, der das Manuskript in Augenschein nahm, konnte nur eine Hand erkennen.

Voynich-Alphabet

Der Text insgesamt umfasst etwa 170.000 einzelne Glyphen. Da bei manchen Glyphen nicht klar ist, ob sie Repräsentationen eigenständiger Zeichen oder Ligaturen mehrerer Zeichen sind, und ob Variationen einzelner Glyphen unterschiedliche Zeichen repräsentieren (wie z. B. „1“ und „l“ in der lateinischen Schrift), oder ob es sich um Formvarianten eines Zeichens handelt (wie z. B. bei „t“ und „t“), kann das dem Voynich-Text zugrundeliegende Alphabet nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Insgesamt scheint der Text mit einem Alphabet von 20 bis 30 Zeichen weitestgehend dargestellt werden zu können.

Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Voynich-Alphabet stand das Problem der Transkription des Textes. Insbesondere eine Untersuchung des Textes mit Hilfe von Computern setzte eine möglichst adäquate Kodierung der Voynich-Zeichen voraus. Erste Ansätze in dieser Richtung wurden von William und Elisabeth Friedman und ihren Arbeitsgruppen unternommen. In Folge haben sowohl Bennett an der Yale University als auch Prescott Currier eigene Alphabete und Transkriptionsschemata entwickelt. Auf dem Voynich-Symposium von 1976 wurde von Mary D’Imperio eine Vereinheitlichung der Transkription vorgeschlagen, woraufhin man sich auf das von Currier entwickelte Schema einigte.

Es zeigte sich aber, dass dieses Alphabet bei der Darstellung seltener Zeichen und von Ligaturen noch zu wünschen übrig ließ. Dementsprechend wurden neue Alphabete entwickelt, als erstes das von Jacques Guy vorgeschlagene Frogguy-Alphabet. Mittlerweile hat sich aufgrund eines breiten Konsenses das sogenannte EVA (European Voynich Alphabet) etabliert.[12] Zu diesem Alphabet wurde auch eine entsprechende Computerschrift (EVA Hand 1) entwickelt, mit der die Darstellung transkribierter Voynich-Texte auf dem Computer vereinfacht wird.

EVA (European Voynich Alphabet). Großbuchstaben werden in EVA teilweise zur Darstellung von Zeichenvarianten verwendet.

„Wörter“

Der Text des Manuskripts enthält ca. 35.000 „Wörter“. Diese Wörter weisen phonotaktische Charakteristika ähnlich denen einer natürlichen Sprache auf, d. h.

  • es lässt sich eine Teilmenge von Zeichen ausmachen, aus der ein oder mehrere Zeichen in jedem Wort erscheinen (analog den Vokalen), und
  • manche Kombinationen von Zeichen erscheinen nie.

Die statistische Analyse des Textes offenbart weitere Ähnlichkeiten mit natürlichen Sprachen:

  • die Worthäufigkeiten gehorchen dem Zipfschen Gesetz,
  • die Wortentropie gleicht mit ca. 10 Shannon/Wort der von Latein oder Englisch, und
  • manche Wörter erscheinen nur auf bestimmten Seiten oder in bestimmten Sektionen, andere erscheinen überall im Text. Insbesondere:
    • weisen die „Beschriftungen“ der Abbildungen nur sehr wenige Wiederholungen auf, und
    • in der „kräuterkundlichen“ Sektion erscheint das erste Wort jeder Seite nur auf dieser Seite (vielleicht der Name der betreffenden Pflanze).

Andere Eigentümlichkeiten des Voynich-Textes finden sich jedoch in europäischen Sprachen nirgends. Zum Beispiel gibt es kaum Wörter mit mehr als 10, aber auch kaum welche mit weniger als 3 Zeichen. Weiter scheint es initiale und finale Buchstabenformen zu geben, also Sonderformen von Zeichen am Wortanfang und -ende, wie sie in semitischen Sprachen gebräuchlich sind. Und schließlich erscheinen unmittelbare Wiederholungen des gleichen Wortes oder kleiner Varianten mit ungewöhnlicher Häufigkeit.

Voynich-Forscher und Voynich-Forschung

Wilfrid Voynich

Voynich war angesichts des Marci-Briefes schnell zur Überzeugung gelangt, Roger Bacon (gest. 1292/94) sei der Autor des Manuskripts. In den folgenden Jahren bemühte er sich, die Provenienz des Manuskripts zu klären. Von der Annahme, Bacon sei der Autor, gelangte er zu der Hypothese, der englische Mathematiker und Mystiker John Dee wäre einer der späteren Besitzer der Handschrift gewesen – eben jener Unbekannte, der das Manuskript an Rudolf II. verkaufte. Anziehungskraft gewinnt die Annahme daraus, dass Dee bekanntermaßen eine Sammlung von Schriften Bacons besaß und sich zusammen mit dem Medium und Winkelalchemisten Edward Kelley in den 1580er Jahren am Hof Rudolfs II. aufhielt. Wenn jedoch gezeigt werden kann, dass Bacon als Autor ausscheidet, bricht die Hypothese zusammen.

Eine Entschlüsselung des Textes hatte Voynich nicht selbst versucht. Er verschickte vielmehr ab 1919 Photokopien des Manuskripts an Wissenschaftler, die er für befähigt hielt, oder an solche, die sich interessiert zeigten. Einer von diesen war Newbold.

William Romaine Newbold

Newbold war Dozent für Philosophie an der University of Pennsylvania in Philadelphia. Er hörte schon 1915 von dem Manuskript, beschäftigte sich damit aber erst nach 1919, als er von Voynich drei Seiten in Photokopie erhalten hatte. Schon nach wenigen Stunden meinte er, einen Schlüssel gefunden zu haben.

In der Folge entwickelte er die Theorie einer Mikroschrift. Demnach sollte der eigentliche Inhalt des Manuskripts in mikroskopisch kleinen Unregelmäßigkeiten der Voynich-Zeichen versteckt sein. Bei genauer Betrachtung würden darin altgriechische Kurzschriftzeichen erkennbar. Der so gelesene Text wurde von Newbold einem weiteren Dechiffrierungsschritt unterzogen. Das Resultat bestätigte ihm nicht nur die Urheberschaft Bacons, darüber hinaus verriet es angeblich auch, dass Bacon nicht nur über ein Mikroskop verfügt habe, sondern dass ihm schon die Spiralstruktur des Andromedanebels bekannt gewesen sei.

Über ihre Ergebnisse berichteten Voynich und Newbold im April 1921 in mehreren Vorträgen vor dem College of Physicians und der American Philosophical Society in Philadelphia. Obwohl erste (vermeintliche) Erfolge sich schnell eingestellt hatten, gestaltete sich die weitere Entzifferung ausgesprochen mühsam. Bevor Newbold eine vollständige Decodierung an Voynich liefern konnte, starb er überraschend im September 1926.

Roland Grubb Kent

Kent, ein Freund Newbolds und Professor für vergleichende Philologie an der University of Pennsylvania, kann nicht als Voynich-Forscher im engeren Sinn gelten. Vielmehr unterzog er sich der Aufgabe, den Nachlass seines früh verstorbenen Freundes Newbold zu ordnen und zu edieren. 1928 erschien der von ihm herausgegebene Band The Cipher of Roger Bacon, der dem wissenschaftlichen Ruf seines Freundes erheblich schaden, der Voynich-Forschung jedoch sehr nützen sollte, da der Band erstmals Reproduktionen des Manuskriptes im Druck verfügbar machte. Er rief allerdings auch Kritiker auf den Plan.

John Matthew Manly

Manly, Professor für englische Sprache an der University of Chicago und während des Ersten Weltkrieges Kryptoanalytiker im militärischen Nachrichtendienst der USA, hatte die Forschungen Newbolds schon einige Zeit mit Interesse, aber auch mit Skepsis verfolgt, was aus einem 1921 veröffentlichtem Artikel „Das geheimnisvollste Manuskript der Welt“ in der US-Zeitschrift „Harpers“ ersichtlich wird. Auf die Publikation der „Ergebnisse“ meinte er reagieren zu müssen, da er befürchtete, unwidersprochen würden die Thesen Newbolds ungefiltert Eingang in die Geistesgeschichte finden. 1931 veröffentlichte er daher eine vernichtende Kritik an Newbolds Methoden und Ergebnissen.

Er zeigte darin auf, dass die Mikroschrift nur in der Phantasie Newbolds vorhanden war, dass es sich vielmehr bei den vermeintlichen Kürzeln um Unregelmäßigkeiten bei Auftrag und Abblättern der Tinte auf dem rauen Schreibmaterial handelte. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass das von Newbold verwendete Verfahren der Dechiffrierung eine sichere Wiederherstellung eines Originaltextes gar nicht zuließ, vielmehr musste der Dechiffrierer den zu dechiffrierenden Inhalt schon kennen (was eben bei Newbold der Fall war, der genau das fand, was er zu finden hoffte).

Joseph Martin Feely

Feely, ein Anwalt aus Rochester in Maine, stützte seinen Entschlüsselungsversuch lediglich auf eine Abbildung der Manuskriptseite 78r in Newbolds Buch. Er kam zu dem Ergebnis, es handele sich um eine Chiffrierung durch Alphabetsubstitution (d. h. jedes Zeichen des Alphabets wird regelhaft durch ein bestimmtes anderes Zeichen ersetzt, in diesem Fall durch ein Voynich-Zeichen). Als Klartextsprache nahm er Latein an. Eine solch einfache Verschlüsselung könnte natürlich bei der vorhandenen Textmenge aufgrund von Häufigkeitsanalysen auch ohne Computer dechiffriert werden, wie Edgar Allan Poe in seiner Erzählung Der Goldkäfer vorführt.

Feely nahm daher weiter an, zuvor wären die lateinischen Wörter durch willkürliches Weglassen von Buchstaben abgekürzt worden. Das angenommene Element der Willkür in der Verschlüsselung hat zur Folge, dass die Entschlüsselung auf einem gehörigen Maß an Subjektivität beruht und damit Irrtümer ermöglicht. Dass der von Feely entschlüsselte Text keinen Sinn ergab, wäre angesichts der üblichen Hermetik frühneuzeitlicher alchemistischer Texte zu tolerieren gewesen. Hätte Feelys Entschlüsselung jedoch zugetroffen, hätte sie auf den von ihm nicht analysierten Seiten ebenfalls zu akzeptablen Lesungen führen müssen.

Hugh O’Neill

O’Neill war ein Botaniker an der Catholic University of America und hatte von einem Kollegen einen Satz Photokopien des Voynich-Manuskripts erhalten. Er versuchte, die in den botanischen Abschnitten abgebildeten Pflanzen zu identifizieren, was bei mittelalterlichen Manuskripten häufig schwierig, im Fall des Voynich-Manuskripts nahezu unmöglich ist. Dennoch meinte O’Neill zwei Pflanzen eindeutig bestimmen zu können, nämlich auf Blatt 93r eine Sonnenblume und auf Blatt 101v eine Art des Spanischen Pfeffers.

Das Bemerkenswerte bei diesen Identifizierungen war, dass beide Gewächse in der Alten Welt vor Kolumbus nicht heimisch waren, das Manuskript demnach erst nach 1493 entstanden sein könnte. Das wiederum hieße, dass Roger Bacon nicht der Autor sein kann.

William Friedman

William Friedman war wohl der erste ausgewiesene Experte für Kryptologie, der sich mit dem Voynich-Manuskript befasste. Er war Gründer des Signals Intelligence Service der US-Armee (eine der Vorläuferorganisationen der heutigen NSA). Unter seiner Leitung wurde während des Zweiten Weltkriegs der japanische PURPLE-Code entschlüsselt.

Friedman hatte in den Kriegsjahren einen Vortrag Newbolds gehört und später mit Manly an der Widerlegung der Theorien Newbolds gearbeitet. Im Mai 1944 gründeten die beiden eine Arbeitsgruppe, deren Aufgabe die maschinenlesbare Transkription des Voynich-„Textes“ mittels Lochkarten sein sollte. Die Aufgabe wurde nicht vollendet, da die Gruppe mit Kriegsende auseinanderfiel. Unter Voynich-Forschern ist die Gruppe um Friedman (und das von ihr entwickelte Transkriptionsschema) als FSG (First Study Group)[13] bekannt.

Das Voynich-Manuskript scheint Friedman und seine Ehefrau Elisabeth weiter beschäftigt zu haben, da er Ende der 50er Jahre in der Fußnote eines Aufsatzes eine als Anagramm verschlüsselte Hypothese zum Voynich-Code publizierte.[14] Die Auflösung wurde erst nach seinem Tod 1970 bekannt:

“The Voynich MSS was an early attempt to construct an artificial or universal language of the a priori type.”

„Das Voynich-Manuskript stellt einen frühen Versuch der Konstruktion einer künstlichen oder universellen Sprache vom A-priori-Typ dar.“

William Friedman

Unter einer künstlichen oder universellen Sprache versteht man eine Plansprache oder logische Sprache. Vom „A-priori“-Typ ist eine solche Sprache dann, wenn sie sich nicht (wie etwa Esperanto) allgemeiner Verständlichkeit halber an existierende Sprachen anlehnt, sondern wenn sie in ihrer Konstruktion logisch-philosophischen Prinzipien folgt.

Konsequenzen dieser Hypothese für den Voynich-Text wären:

  1. Die Hypothese würde das Vorhandensein sonst nur bei natürlichen Sprachen zu findender statistischer Eigenschaften im Voynich-Text erklären.
  2. Die Entschlüsselung einer konstruierten Sprache, deren Konstruktionsprinzip verloren gegangen ist, ist extrem schwierig oder unmöglich. Das wäre konsistent mit den bis heute gescheiterten Bemühungen um die Entschlüsselung des Voynich-Textes.

Im September 1962 initiierten die Friedmans eine weitere Arbeitsgruppe (SSG, Second Study Group) mit dem Ziel, automatische Datenverarbeitung zur Entschlüsselung des Voynich-Codes einzusetzen. Dieses Mal sollte ein RCA-301-Computer eingesetzt werden, zu dem die Gruppe außerhalb der normalen Betriebszeiten Zugang hatte. Sie wären damit die ersten Voynich-Forscher gewesen, die einen Computer zur Entschlüsselung verwendeten. Es kam jedoch nicht dazu, da RCA die Nebennutzung für diesen Zweck untersagte. Die Gruppe löste sich im Sommer 1963 auf.

Robert S. Brumbaugh

Robert Brumbaugh war Professor für Philosophie des Mittelalters an der Yale University, hatte also im Gegensatz zu anderen Voynich-Forschern die Möglichkeit, das Dokument im Original in Augenschein zu nehmen – zu einer Zeit, in der nur wenige Seiten als (schwarz-weißes) Faksimile publiziert bzw. als Photokopie in Umlauf waren, ein unschätzbarer Vorteil. Darüber hinaus gelang es ihm, einen Forschungsauftrag für die Untersuchung des Manuskripts zu erhalten. Er veröffentlichte in den 1970er Jahren eine Reihe von Artikeln zum Thema und fasste in der 1978 erschienenen Monographie The Most Mysterious Manuscript den damaligen Stand der Forschung zusammen. Brumbaugh selbst entwickelte aufgrund der Ähnlichkeit einiger Voynich-Zeichen mit altertümlichen Ziffernformen die Theorie, dass die Voynich-Zeichen (dezimale) Ziffern seien, wobei jeder Ziffer mehrere Buchstaben des lateinischen Alphabets zugeordnet seien. Ähnlich wie beim Ansatz von Feely enthielte auch eine solche Kodierung ein Element der Mehrdeutigkeit, entsprechend enthalten die Dekodierungen ein stark subjektives Element. Auch die von Brumbaugh vorgelegten „Entschlüsselungen“ ergaben keinen (offensichtlichen) Sinn.

Prescott Currier

Prescott Currier war ursprünglich Sprachwissenschaftler (B. A. in Romanistik und Diplom in vergleichenden Sprachwissenschaften). Ab 1935 begann er sich mit Kryptologie zu beschäftigen. 1940 in der US-Marine dienstverpflichtet, arbeitete er 1941 als amerikanischer Liaison-Offizier in Bletchley Park in England, um die kryptoanalytischen Bemühungen der amerikanischen und englischen Dienste zu koordinieren. Von 1948 bis 1950 war er Direktor der Naval Security Group.

Currier hatte in England die Bekanntschaft von John Tiltman gemacht, der wiederum von Friedman zur Beschäftigung mit dem Voynich-Manuskript angeregt worden war. Auch Currier sollte sich über viele Jahre mit dem Rätsel des Manuskripts beschäftigen. Wichtigstes Resultat seiner Untersuchungen war, dass – anders, als bis dahin stets angenommen – das Manuskript mehr als einen Schreiber hat. Currier stellte fest, dass zwei Schreibstile, und mehr noch: zwei „Sprach“stile deutlich unterscheidbar sind. Diese beiden Voynich-Varianten werden heute mit Currier-A bzw. Currier-B bezeichnet. Er stellte seine Ergebnisse 1976 auf einem von Mary D’Imperio veranstalteten Seminar vor.[15]

Mary D’Imperio

Die Mathematikerin Mary D’Imperio war wie Friedman Kryptoanalytikerin (zeitweise Beraterin der NSA). Persönlich bekannt mit John Tiltman (der zusammen mit Friedman die These aufgestellt hatte, dass dem Voynich-Manuskript eine künstliche Sprache zugrundeliege) und Prescott Currier, begann sie Ende der 1970er, sich intensiv mit dem Voynich-Manuskript zu beschäftigen. Sie organisierte das erste wissenschaftliche Symposium zum Thema Voynich, das im Jahr 1976 stattfand, und veröffentlichte die Resultate in einem Tagungsband[16] sowie in dem heute noch als beste Überblicksarbeit geschätzten Band The Voynich Manuscript: An Elegant Enigma. In ihren Arbeiten zum Voynich-Manuskript befasste sie sich mit Fragen der Transkription und des Zeichenvorrates. Sie wies unter anderem auf die Ähnlichkeiten zwischen den Voynich-Zeichen und einigen in Mittelalter und Renaissance gebräuchlichen lateinischen Kürzeln hin.

Gordon Rugg und Andreas Schinner

Gordon Rugg von der britischen Keele-Universität beschäftigte sich etwa ab 1997 mit der Frage, wie der Text des Voynich-Manuskripts entstanden sein könnte. Dazu erstellte Rugg eine Tabelle mit zufälligen Zeichenkombinationen, die dann als Vor-, Mittel- oder Nachsilben neuer „Wörter“ dienten. Über diese Tabelle schob er ein sogenanntes Cardan-Gitter, eine Schablone mit drei Fenstern, wie sie im 16. Jahrhundert zur Verschlüsselung von Texten verwendet wurde. Die Zeichenfolgen, die jeweils in den drei Fenstern erschienen, wurden transkribiert, und eine dreisilbige unverständliche „Sprache“ entstand, die große Ähnlichkeit mit dem Text des Voynich-Manuskriptes aufwies. Im Dezember 2003 gab Rugg seine Forschungsergebnisse bekannt. Seiner Ansicht nach handelt es sich bei dem Voynich-Manuskript um einen mittelalterlichen Schabernack, um wirres Geschwafel ohne Sinn und Gehalt.[17] Die Schabernack-Hypothese wird auch durch eine Textanalyse des österreichischen Wissenschaftlers Andreas Schinner gestützt: Er entdeckte unnatürliche Regelmäßigkeiten in der Wortfolge des Manuskripts, die in Texten, die in natürlichen Sprachen verfasst sind, nicht vorkommen. Der theoretische Physiker kommt daher ebenfalls zu dem Schluss, dass das Voynich-Manuskript das raffinierte Werk eines Schelms ist und lediglich bedeutungslosen Unsinn enthalte.[18][19] Im Jahr 2009 konnte jedoch mittels einer Radiokarbonanalyse[4] die Entstehung des Pergamentbandes mit höchster Wahrscheinlichkeit auf zwischen 1404 und 1438 bestimmt werden. Zu dieser Zeit war die Verschlüsselungstechnik mit dem Cardan-Gitter noch nicht bekannt. Außerdem erscheint die Schabernack-Hypothese vor dem Hintergrund, dass die Anfertigung dieses Manuskriptes nicht nur ein extrem kostspieliges Unterfangen war (damals sehr teures Pergament, sehr teure, hochqualitative Tintenfarben), sondern auch viele Jahre in Anspruch genommen haben muss, äußerst unwahrscheinlich.[20]

Rezeption und Wirkung

Das Voynich-Manuskript war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur wenigen Spezialisten bekannt. Im Laufe der letzten Jahrzehnte jedoch stieg der Bekanntheitsgrad, wodurch das Voynich-Manuskript Eingang in Werke der populären Kultur fand und Büchern, Bildern, Musik bis hin zu Computerspielen als Inspiration diente.