Jerusalem – die Heilige Stadt


Gott will es!“ Der fanatische Kampfruf drang aus tausenden Kehlen. Über brennende Belagerungstürme stürmten streng gläubige Kreuzritter die Mauern Jerusalems, um die heilige Stadt im Namen aller Christen aus moslemischer Herrschaft zu befreien. Über 70.000 Menschen fanden im ersten Kreuzzug am 15. Juli 1099 den Tod. Es war nicht das erste Mal, dass Jerusalem im Mittelpunkt von Glaubenskriegen stand und es sollte auch nicht das letzte Mal gewesen sein.

Die Gründungsväter Israels
Als heiliger Ort steht Jerusalem im Mittelpunkt dreier Weltreligionen. Christen, Juden und Moslems erheben aus historischen Gründen gleichermaßen Anspruch auf die Stadt, die man seit ihren Anfängen immer wieder im Namen einer Religion oder auch aus politischen erobert und zerstört hat.
Die historisch nachweisbare Geschichte Jerusalems ist auf nordsyrischen Tontafeln um 2.500 v. Chr festgehalten. Der Israelitenkönig David (1004-965 v. Chr.) gründete den ersten jüdischen Staat und bestimmte Jerusalem zu dessen Hauptstadt. Unter David wurde auch das Heiligste des Judentums, die so genante „Bundeslade – eine vergoldete Truhe mit den Zehn Geboten Gottes – nach Jerusalem. Zur sicheren Aufbewahrung ließ Nachfolger Salomon (bis 926 v. Chr.) den so genannten Salomonischen Tempel bauen.

Eine Klagemauer für das Judentum
Nachdem Salomons heiliges Bauwerk 587 v. Chr. von einfallenden Babyloniern zerstört worden war, errichtete man einen zweiten Tempel in Jerusalem. Dieser Bau war, trotz mehrmaliger politischer Machtwechsel, über Jahrhunderte Mittelpunkt der Stadt und zentrale Pilgerstätte für die Einwohner Judäas. Um die Zeitwende ließ der unter römischer Oberherrschaft regierende König der Juden, Herodes, den Tempel zum größten sakralen Monument seiner Zeit ausbauen. Als sich sein Volk 70 n. Chr. gegen Rom erhob, wurde der heilige Bau zerstört. Übrig blieb lediglich die westliche Stützmauer. Sie wird heute als Klagemauer verehrt.

Ein Passionsweg für das Christentum
Was den Juden die Klagemauer, ist den Christen der Hügel Golgata. Dort, außerhalb der Stadtmauern Jerusalems, vollzog sich einst die Kreuzigung von Gottes Sohn. Als im 4. Jahrhundert das Christentum, repräsentiert vom Römischen Reich, in Jerusalem die Oberhand gewann, wurde in Erinnerung an Christi Tod und Auferstehung die Grabeskirche gebaut, die wie viele andere Heiligtümer heute nicht mehr im Original erhalten ist. Weitgehend zerstört ist auch die Burg von Herodes, in der Pontius Pilatus einst das Todesurteil über Jesus Christus fällte und ihn geißeln ließ. Die Via Dolorosa, die Gassen, durch die Jesus das Kreuz trug, führt hingegen immer noch von der Altstadt nach Golgatha hinauf.
Rechts vom Portal der dort stehenden Grabeskirche soll das Kreuz gestanden haben, an dem Christus starb. Das Passionsmysterium schließt noch den Salbungsstein, auf den der Leichnam gelegt wurde und das Grab, aus dem Christus am dritten Tag auferstanden ist, mit ein.

Ein Felsendom für den Islam
Als Zentrum des islamischen Glaubens gilt heute der Tempelberg mit seinem gewaltigen Felsendom, einer Moschee, reich verziert mit blauen und gelben Keramikfliesen und Korantexten. Im Koran legte der Religionsgründer des Islam, der Prophet Mohammed (570-632) seine in Visionen erfahrenen Offenbarungen Gottes dar.
Aus dem Boden des Felsendoms tritt ein nackter Fels zutage. Von diesem Felsen aus, auf dem einst der Urvater des Judentums, Abraham, aus Gottesfurcht seinen Sohn Isaak opfern wollte, soll Mohammed in den Himmel aufgestiegen sein. Noch heute sind dort Mohammeds Fußabdruck, die Hufspuren seines Pferdes und die Fingerabdrücke des Erzengels Gabriel, der laut Überlieferung den Felsen während der Himmelfahrt festgehalten hat, zu sehen.
Im jüdischen „Talmud“, entstanden in einem mehrere Jahrhunderte andauernden mündlichen und schriftlichen Überlieferungsprozess, wird behauptet, der Fels liege über der Öffnung eines Abgrundes , aus dem man das Rauschen der Sintflut hören kann. Laut moslemischer Erzähltradition soll der gesamte Felsen ohne Halt frei in der Luft schweben. Darunter fließt der Brunnen der Seelen, in dem sich die Verstorbenen zum Gebet versammeln.

Mythologie und Gegenwart
Ein friedliches Nebeneinander der beiden größten Bevölkerungsgruppen scheint gegenwärtig in Jerusalem nicht möglich. Juden und Moslems erheben Ansprüche auf die Heilige Stadt, religiöse Kämpfe und Unstimmigkeiten schwelen beständig und lodern oft genug auf. Fast jeder jüdische Einwohner betont die Unverzichtbarkeit und die einzigartige Bedeutung des Besitzes von ganz Jerusalem, arabische Bewohner sprechen von der Unmöglichkeit eines Friedens unter den Bevölkerungsgruppen, wenn Jerusalem nicht auch dem Islam zugesprochen wird.