Jesus – Mensch und Mythos


Kaum eine Persönlichkeit bewegt die Gemüter seit 2000 Jahren so sehr wie die Person „Jesus von Nazareth“, über kaum ein Thema wurden so viele Bücher geschrieben, wurde so heftig und leidenschaftlich diskutiert. Und doch bleibt der historische Jesus in tiefes Dunkel gehüllt. Was wir von ihm aus der Bibel wissen, sind zum größten Teil Kultlegenden und vermutlich fiktive Geschichten.

Fehlen historischer Belege
Den Historikern zu Jesus Lebzeiten scheint er unbekannt oder zumindest nicht erwähnenswert gewesen zu sein. Es ist erstaunlich, dass dieser bedeutende Mensch, auf den sich die gesamte Christenheit beruft, außerhalb der christlichen Literatur nicht mehr als eine Fußnote der Geschichte war. Jesus Zeitgenosse Philo Judaeus (20 v. – 50 n. Chr.) schrieb etwa fünfzig Werke über Geschichte, Philosophie und Religion. Nirgendwo erwähnte er den Gottessohn. Über Pilatus hingegen berichtete Judaeus ausführlich. Erst um 117 n.Chr. tauchte bei dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus (55-116) die „abergläubische Sekte“ der Christen auf, die ihren Namen auf einen gewissen Christus zurückführte. Plinius der Jüngere (62-113) schrieb über Christen in Bithynien, einer Landschaft in Kleinasien, die schon 74 v.Chr. an Rom ging und bis 395 n.Chr. Teil des Römischen Reichs blieb. Sueton (70- 140) schildert die Vertreibung von Juden aus Rom unter Kaiser Claudius (41-54) , weil sie unter dem Einfluss eines gewissen „Chrestos“ Unruhe gestiftet hätten. In einem Werk des jüdischen Geschichtsschreibers Flavius Josephus (37-ca.100) wird Jesus immerhin als Wundermann und als erfolgreicher Lehrer charakterisiert. Allerdings stammt dieses berühmte „Testimonium Flavianum“ („Zeugnis des Flavius“) nicht aus der Feder des Josephus. Es handelt sich um die Fälschung eines christlichen Kopisten aus dem dritten Jahrhundert, wie man mittlerweile nachweisen konnte.

Einer unter vielen
Offenbar fiel Jesus während der kurzen Zeit seines öffentlichen Wirkens in Palästina kaum auf unter den zahlreichen ähnlichen Propheten, Weisheitslehrern und Wundermännern, die damals eine göttliche Mission zu erfüllen glaubten. Die Wunder, die man Jesus zuschrieb, wurden von den Autoren der Evangelien nach den kursierenden Erzählungen über Taten vorhergehender berühmter Wundermänner der Antike, wie Epimenides (7.Jh. v.Chr.), Pythagoras (6. Jh. V.Chr.) und Empedokles (5. Jh.v.Chr.) geformt. Von Empedokles erzählte man, er habe Kranke geheilt, Tote erweckt, Stürme beschworen und die Zukunft vorhergesagt. Die Ähnlichkeiten mit den Jesus zugeschriebenen Wundern ist bisweilen verblüffend. Die Geschichte, in der Jesus Petrus aufträgt, die Netze noch einmal zum Fischfang auszuwerfen (Lukas 5,1-7), ist einer Erzählung über Pythagoras nachgebildet, der in Kroton den Fischern voraussagte, wie viele Fische sie fangen würden, wenn sie ihre Netze noch einmal ins Wasser werfen würden. Auch die Biographie des zwielichtigen Magiers Apollonios von Tyana, eines Zeitgenossen von Jesus, zeigt erstaunliche Parallelen zu den Geschichten, die von ihm in den Evangelien erzählt werden: Er weissagte, heilte Kranke, trieb Dämonen aus, erweckte eine Tote zum Leben, entrückte auf wunderbare Weise aus dem Gefängnis und wurde nach seinem Tod als Heros oder Gott verehrt.

Eigenname oder Titel
Wir wissen nicht einmal, ob der Name „Jesus“ sein wirklicher Name war. In Galiläa – heute zu einem Teil im Libanon und zum anderen in Israel – herrschten zu Zeiten des Jesus Unruhen und Rebellionen gegen die römische Fremdherrschaft. Das jüdische Volk war von der Hoffnung erfüllt, ein Messias würde auftreten, um sie von den unterdrückenden Römern zu befreien. Viele der Propheten, die durch die Lande zogen, beriefen sich auf Josua ben Nun als das große mythische Vorbild des Befreiers. Josua war als Nachfolger des Moses der Anführer der israelitischen Stämme bei der Eroberung des Westjordanlandes. Er hatte die Israeliten gegen Kanaan geführt, die Mauern von Jericho unter dem Posaunenschall zum Einsturz gebracht und mit dem Volk Israel und der Bundeslade trockenen Fußes den Jordan durchquert.
Diese Propheten gaben sich selbst den Namen Josua. Der Name Jesus ist nichts anderes als die griechische Übersetzung von Josua. Es mag durchaus sein, dass der Name Jesus in jener Zeit weniger als Eigenname in Gebrauch war, denn als Bezeichnung für einen, der als von Gott bewegter Befreier auftrat. Vielleicht nannten ihn seine Anhänger so, weil sie von ihm keine überirdische, sondern eine weltliche Befreiung erhofften?

Das verlorene Evangelium
Wo also lässt sich der wahre Jesus finden? Sind seine authentischen Worte für immer verloren? Vermutlich nein. Angeblich finden sie sich in den kanonischen Evangelien und in einigen Schriften der Jesus-Anhänger, die nicht im Neuen Testament aufgenommen wurden. Erst die historisch-kritische Forschung brachte dies ans Licht. Sie entdeckte, dass die Evangelisten Matthäus und Lukas ihre Inhalte zum großen Teil dem Markustext entnommen hatten. Zudem Matthäus und Lukas aber auch noch eine Sammlung von Sprüchen Jesu benutzt haben, die Markus nicht bekannt war und aus der sie übereinstimmend zitierten.
Dieser hypothetische Text wird die „Spruchquelle“ oder kurz Q genannt. Q ist so etwas wie ein „Ur-Evangelium“. Seine Gestalt wurde aus den neutestamentlichen Schriften rekonstruiert. Durch die Analyse dieser Spruchsammlung wollen Forscher zu jenen Jesusworten vorgedrungen sein, die er seinen Schülern tatsächlich mit auf den Weg gegeben hatte.

Ein anderer Jesus
Aber auch in dieser Spruchquelle stammen nicht alle Aussagen von Jesus. Einige Religionshistoriker meinen, die authentischen Darlegungen rekonstruieren zu können. Fasst man diese dann zusammen, ergibt sich ein völlig anderes Jesus-Bild, als die Evangelien glauben machen. Nichts deutet in den wahren Worten Jesu darauf hin, dass er sich als Messias verstand. Seine Lehre war auch keine Anklage gegen das Judentum, wie oft behauptet wird. Die wenigen authentischen Jesus-Worte sind vielmehr stark von östlichem Gedankengut inspiriert und weisen erstaunliche Parallelen zu buddhistischen Lehren, speziell den Reden Buddhas auf.
Die Quellen einzelner Wunder, die als „typisch“ für Jesus gelten, konnte die Forschung aufdecken. So ist das berühmte Brotwunder und der Wasserwandel Jesu aus buddhistischen Quellen übernommen: Die bis im Detail identischen Wunder wurden Jahrhunderte vorher Buddha zugeschrieben. Auch andere Geschichten um Jesus entstammen nachweislich buddhistischen Vorlagen, so die Versuchung Jesus in der Wüste, die Begegnung mit der Samariterin am Brunnen oder die Erzählung vom Scherflein der Witwe.
Jesus Anhänger, unter denen dieses Ur-Evangelium zirkulierte, fassten seinen Tod im Übrigen nicht als göttliches Ereignis oder als Erlösertat auf. Niemand glaubte daran, dass Jesus auferstanden sei, um über eine neue Welt zu herrschen. Sie hielten Jesus vielmehr für einen außergewöhnlichen spirituellen Lehrmeister, dessen Botschaft von Liebe und Toleranz es ihnen erleichterte, in schwierigen Zeiten das Leben zu erragen.

Weitere Informationen unter:

http://de.wikipedia.org/wiki/Jesus_von_Nazaret

http://de.wikipedia.org/wiki/Jesus_Christus