Geoglyph

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Nazca-Linien in Peru, die einen Kolibri darstellen
Luftbild des White Horse, Oxfordshire, England

Geoglyph, auch Geoglyphe oder Erdzeichnung, wird eine großflächig auf dem Erdboden geformte, in Linien gezeichnete oder durch Straßen- und Wegezüge gebildete Figur von oft mehreren hundert Metern Größe genannt. Im Städtebau orientieren derartige Figurationen bildhaft die Funktionen, Lagebeziehungen und soziale wie funktionelle Organisationsstruktur (Interdependenzgeflecht).

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Prähistorische Geoglyphen

Durch ihre Ausmaße sind sie oft erst aus der Luft zu erkennen und können längere Zeiträume überdauern, ohne von Denudations-Prozessen ausradiert zu werden. Oft sind mit diesen Bildformen auch Funktionen verbunden. Die in der Form von großen zoomorphen Objekten (Pferd, Wal, Affe, Hund, Ameisenbär, Condor, Kolibri (Koordinaten bei 14° 41′ 32″ S, 75° 8′ 57″ W-Papagei, Chaucato, Flamingo, Fregattvogel, Pelikan, Schlange, Spinne, Eidechse, Libelle, Elch[1](Koordinaten bei 54° 56′ 33″ N, 59° 11′ 32″ O sowie pflanzliche Spezies wie Bäume, Blumen und Gewürze aufgeschütteten Formen wie indianischen Mounds in Nordamerika sind meist Grabbauten (Serpent Mound, Jackson, Ohio) und bei den Liniensysteme und Tiere zeigenden Scharrbildern der Nazca, den sogenannten Nazca-Linien in Peru ist ein Zusammenhang mit unterirdischen Wassersammelanlagen beobachtet worden. Ebenfalls gibt es Vermutungen, dass die Gegend dieser heutigen Nazca-Wüste in der Zeit der Errichtung dieser Geoglyphen fruchtbares Land war, welches jedoch aufgrund klimatischer Änderung langsam zu einer Wüste wurde. Demnach könnten diese Figuren auch Huldigungen an die Götter dargestellt haben.

Scharrbilder entstehen durch das Entfernen der dunklen Oberschicht von Gestein, Geröll oder Erdreich, so dass eine hellere Unterschicht sichtbar wird. Die sichtbaren Partien stellen dann die eigentliche Zeichnung des Scharrbildes dar. Ein vergleichbares Beispiel in Europa ist das White Horse von Uffington Hill (England).

Geoglyphen im figurativen Städtebau

Der Figurative Städtebau nutzt zur Organisation des Stadtraumes weiträumig angelegte geoglyphe Bildgestalten.

Brasília, Hauptstadt Brasiliens in der Gestalt eines Flugzeuges (Plano Piloto)

Geoglyphen als bildliche Ordnungssysteme im modernen Städtebau

Den Geoglyphen vergleichbare Figuren werden als „organische Gestalten“ im modernen Städtebau zur Organisation von Funktionen und zur Orientierung verwendet. Diese Organisationsformen lösen die Forderung nach einer „organischen Architektur“ ein, indem sie jeden Bestandteil in die Rahmenbedingungen des Gestamtkonzeptes einbinden.

  • Das von Lúcio Costa 1956 entworfene Planschema der Hauptstadt Brasília ist eine Flugzeugfiguration (Plano Piloto). Die Verwaltungsgebäude liegen hier im Bereich des Cockpits.[2]
  • Rovaniemi in Finnland als kniendes, nach rechts gerichtetes Ren, teilweise oder insgesamt von Alvar Aalto entworfen.[3] Die Uferstraße zeichnet vom Knie (Stadtteil Korvanniemi) über den Kopfansatz (Terveyskeskus) bis hin zur Schnauze den Umriss (Korvanranta bis Koskenranta).[4] Hier am Kopf setzt das aus Straßen und Reihenhäusern gebildete Geweih an. Im „Herzen“ dieser Figuration liegen die Verwaltungsgebäude.
  • Paolo Soleri hat die Theorie der als städtebauliches Ordnungsbild verwendeten Geoglyphe des Menschen von Mesa City Project als Arcology ausgebaut[5] und in Arcosanti in Arizona verwirklicht.[6] Eine Diskussion dieser Architekturtheorie veröffentlichte David Grierson.[7]
  • Die Stadt Lignano Sabbiadoro wollte Rob Krier 2000 mit einem Straßennetz von menschlichem Umriss überformen.
  • In verschiedenen Bauprojekten im früheren Jugoslawien wie für Vela Luca hat der in Paris lebende Künstler Ricardo Porro (* 1925) sich mit den Möglichkeiten funktional-figurativer Architektur in Form von begehbaren Menschenbildern beschäftigt.
  • Künstliche Inselgruppe Palm Islands (Dubai), deren Zentrum seit 2003 das britische Architekturbüro RMJM baut.[8]
  • In den Niederlanden wird 2007 das Projekt zu einem Polder in der Form einer Tulpe diskutiert.[9] Das Vorhaben steht in Verbindung mit Projekten des in Venedig angesiedelten International Centre Cities on Water.[10]

Geoglyphen als bildliche Ordnungsformen im historischen Städtebau

Die im modernen Städtebau verwendete geoglyphische Ordnungsform ist auch für den historischen Städtebau belegt, am besten im Fall der Inka-Stadt Cuzco in Peru.

Cuzco, Karte von E.G. Squire, um 1860: Die Festung Sacsahuaman[11] im Norden der Stadt gibt den Kopf des liegenden Puma (puma yacente) an,[12] dessen Umrisse durch die noch erhaltenen Inkamauern gebildet sind. Vom Kopf aus sind deutlich der in den Tierschwanz übergehende Rücken und die beiden angezogenen Beine zu erkennen. Der Rücken verläuft mit dem Fluss Tullu, die Beinumrisse setzen auf dem Ufer des Flusses Sapi auf. Das liegende Tierbild ist von einem stehenden Puma (puma agazapad) überlagert.[1]
 
  • Die Inka-Stadt Cusco wurde bei ihrer Errichtung als Figuration eines liegenden Pumas errichtet. Diese ist von der jüngeren Figuration eines stehenden Pumas überlagert.[13] Der nördlich gelegene Kopf beider Figurationen ist eine heute noch bestehende festungsartige Inkaanlage, die der 1860 aufgenommene Grundriss von E.G. Squire in seinem städtebaulichen Gesamtzusammenhang zeigt. Das weitere, durch die straßenbegrenzenden Grundrisse der Inkabauten Cuzcos überlieferte Körperschema ist eine bis heute in die Stadtentwicklung hinweinwirkende frühe Entwicklungsstufe Cuzcos.[14]

Geoglyphen in der Land Art

Auch zeitgenössischen bildenden Künstlern der Land Art dienen Geoglyphen als Inspirationsquelle. Sie regten beispielsweise Robert Smithson zu seinem temporären Werk Spiral Jetty (1970) an, Wilhelm Holderied zu seinem Erdzeichen Eine Insel für die Zeit (1995) am Münchener Flughafen, Eberhard Bosslet mit seiner Intervention an einer Regensammelfläche (Acogida) auf Lanzarote und Andrew Rogers zu der monumentalen Arbeit Rhythms of Life (seit 1999), die sich aus mehreren Werken zusammensetzt, die gegenwärtig bereits in sieben Ländern und auf sechs Kontinenten präsent sind.

Eberhard Bosslet – Begleiterscheinung XI, – Aus der 1983 begonnenen Werkgruppe der „Reformierungen und Begleiterscheinungen“

Ein spektakuläres Beispiel eines Geoglyphen bildet der Marree Man mit einer Länge von 4,5 Kilometern im Outback bei Marree in Südaustralien.

Eine populäre Form von meist künstlichen Geoglyphen sind Kornkreise.

Geoglyphen zur Information

Kompassrose, Durchmesser 1200m, Rogers Dry Lake

Wie alle anderen Strukturen auf der Erdoberfläche können Geoglyphen zur Orientierung durch Luftfahrzeuge genutzt werden. Extra zu diesem Zweck erstellt wurde die weltgrößte Kompassrose auf dem Boden des Salzsees Rogers Dry Lake in Kalifornien.