Drache, Einhorn und Fabelwesen


Fabeltiere prägen seit Jahrtausenden das Leben der Menschen. Wir finden sie in Sternbildern wie Pegasus, Hydra, Zentaurus, Phönix u.a. als Symbolfiguren der Religionen und weltlicher Herrscher, als Abbildung auf Zahlungsmitteln seit der abendländischen und asiatischen Antike.

Fabelwesen in der Kryptozoologie
Sie kommen in Liedern vor, in Erzählungen, in der Medizin, sind das Thema von Filmen – sie spielen eine wichtige Rolle in allen Kulturen der Welt. Immer wieder fanden unsere vorzeitlichen Verwandten Knochen, die sie keinem bekannten Tier und keinem Menschen zuordnen konnten. Sie waren zu groß oder so geformt, dass sie nichts Bekanntem entsprachen. In späteren Zeiten brachten Reisende tierische Körpermaterialien mit, die man nicht einordnen konnte. So bildeten sich Legenden und Sagen, denn aus den gewaltigen Knochen eines pleistozänzeitlichen Mammuts wurden die Gebeine eines Riesen. Die modernste Art der Beschäftigung mit diesen unerklärlichen Funden ist die Kryptozoologie. Für viele Forscher sind Fabelwesen nicht einfach als Legende abzutun, sondern haben ihren festen Platz in einer (grenz-)wissenschaftlichen Disziplin gefunden.

Der Drache
Der Drache ist das wohl symbolträchtigste und bekannteste Wesen, das in allen Kulturen auftaucht, in Märchen, Legenden, der Bibel, besonders aber in der chinesischen Mythologie. Er kann Feuer spucken, ist relativ unverletzlich und existiert einerseits als Strafe der Menschheit, andererseits als deren Glück.

Ein fabelhaftes Mischwesen
Im zoologischen Sinn ist der Drache kein Tier, sondern ein Wesen, das aus den Körperteilen von Schlange, Echse, Vogel, Fledermaus und Löwe besteht. Oft ist der Drache Hüter eines Schatzes, und wer ihn tötet, gewinnt die Prinzessin oder erhält eine besondere Fähigkeit. Je nach Kultur ist der Drache ein gutes oder ein böses Wesen. In der christlichen Welt gilt er als Form des Teufels, Inkarnation des Bösen, Feind Gottes und der Menschen. In Asien dagegen, und hier besonders in der chinesischen Kultur, bringt der Drache Glück und Weisheit und steht für das männliche Prinzip.


Der Drache in allen Mythologien der Welt
Bis ins 16. Jahrhundert hinein hielt sich die Ansicht, Drachen seien tatsächlich existierende Kreaturen. Der Züricher Arzt und Naturforscher Konrad Gesner (1516-1565) unterschied in seinem insgesamt sechsbändigen Werk über die Tierwelt drei Drachenarten: die ungeflügelte Schlange riesenhafter Größe, die geflügelte Schlange und ein Wesen mit Schlangenleib, häutigen Flügeln, gehörnten Haupt und krallenbewehrten Klauen.
Drachen kommen in allen Kulturen vor. Bei den Ägyptern schweben die Gottheiten Nephtys und Isis nach dem Tod von Osiris in Drachen verwandelt über dem einbalsamierten Toten, bis dieser bestattet ist. In der griechischen Mythologie ist Ladon ein Drache mit 100 Köpfen, der im Garten der Hesperiden die goldenen Äpfel bewacht. Der griechische Göttervater Zeus setzt den Drachen Typhon unter den Ätna, und sein Atem lässt die Erde erbeben und bricht als Feuer hervor. Apollon übernimmt von den beiden Drachen Delphyne und Python das Orakel von Delphi. Jason, Held der griechischen Sage, und seine Begleiter, die Argonauten, säen bei König Aietes in Kolchis Drachenzähne – die aufgehende sind unbesiegbare Riesen. Das Goldene Vlies, Ziel von Jasons Reise, wird von einem Drachen bewacht, der sich um die Eiche schlingt, in der es hängt. Kadmos, der Gründer Thebens, sät ebenfalls Drachenzähne und erntet Monster. Medea, Frauengestalt der griechischen Sage, flieht auf einen Wagen, der von zwei geflügelten Drachen gezogen wird. In der christlichen Legende überwindet die heilige Martha in Südfrankreich den Drachen Tarasconus, und der hl. Georg zähmt und tötet einen Drachen. Bei den Germanen hockt am Fuß der Eiche Yggdrasil der Drache Niddhögg, das Eichhörnchen trägt ihm die Worte des im Wipfel sitzenden Adlers zu. Fafner heißt der Drache, den Siegfried erschlägt und in dessen Blut er badet, um unverwundbar zu werden.
Im Gegensatz zu den abendländischen Drachen ist der asiatische Drache wohltätig und Glück bringend. Er lebt in Regenwolken, Seen, an Quellen, in China gilt er als Zeichen der Macht, und der Kaiser saß auf einem Drachenthron.

Die Entstehung eines einheitlichen Drachenbildes
In der Kryptozoologie stellt man sich die Frage, wie es möglich ist, dass es in allen Kulturen ein einziges Wesen gibt, das mit denselben Attributen ausgestattet ist und ein nahezu identisches Aussehen hat. Eine Theorie besagt, der Drache sei ein Saurier gewesen, der durch das Erlernen des Fliegens länger überlebensfähig war als andere seiner Art, und er sei ausgestorben, als der Mensch bereits existierte, wodurch er in einer so übereinstimmenden Form in die verschiedenen Überlieferungen eingehen konnte.

Das Einhorn
Das Einhorn ist ein Fabelwesen mit Pferdekörper und einem Horn auf der Stirn. Der heilige Ambrosius deutete es als Symbol Christi. Seit der Antike und in den verschiedensten Kulturen werden dem Horn magische Qualitäten zugeschrieben. Zu Amuletten verarbeitete Hörner spielen in Volksmedizin und Aberglaube eine große Rolle.
Das Leben eines Einhorns
Bei seiner Geburt hat ein Einhorn noch kein oder nur ein sehr kleines Horn, es wächst im Laufe seines Lebens, und ein abgebrochenes Horn braucht zehn Jahre, bis es nachgewachsen ist. Irgendwann verlässt das Einhorn den Wald seiner Mutter und sucht einen eigenen, in dem es leben wird. Verschiedene Quellen schreiben dem Einhorn ewiges Leben zu, andere ein sehr langes Leben. Menschen gegenüber sind Einhörner scheu, denn diese jagen es, um in den Besitz seines Horns zu kommen. Einhörner zeigen sich nur den Menschen, die an sie glauben, alle anderen sehen ein Pferd. Nur Jungfrauen können die wilde Natur des Einhorns besänftigen. So zeigen sie sich angeblich Jungfrauen, wenn diese am Rand eines Waldes sitzen, legen den Kopf in ihren Schoß und schlafen. Oft wird diese Vertrautheit genutzt, um das Tier zu fangen, die Jungfrau wartet auf das Wesen, und wenn es eingeschlafen ist, kommen die Jäger.
Die Legende vom Einhorn
Unsere Vorfahren fanden immer wieder Knochen, die sie nicht zuordnen konnten, weil sie zu groß waren oder so geformt, dass sie bekannten Tierkörpern nicht entsprachen. So muss sich die Legende vom Einhorn gebildet haben. Dem Pulver aus dem Horn wurden heilende und Wunder bewirkende Kräfte zugeschrieben. Unsere Vorfahren fanden an den Stränden häufiger einen Gegenstand, der optisch den Vorstellungen vom Aussehen eines Einhorn-Hornes entsprochen haben mag, in Wahrheit aber der vom Meer angespülte Schneidezahn eines männlichen Narwals war.
Einige Kryptozoologen halten den vor 1 Mio. Jahren ausgestorbenen Procamptoceras brivatense für den realen Vorfahren des Einhorns, es handelte sich um eine Antilopenart mit zwei sehr dicht beieinander stehenden Hörnern, die für eins gehalten werden konnten.

Andere mythische Wesen:

Pegasus:
Geflügeltes Zauberpferd der griechischen Sage, das aus dem Rumpf der Gorgone Medusa geboren und vom Heros Bellerophon gezähmt wurde. Er ist das Sinnbild dichterischer Fantasie.
Hydra:
Neunköpfige Seeungeheuer der griechischen Sage. Der Held Herakles tötete die Hydra von Lerna (auf dem Peleponnes) durch Ausbrennen der nachwachsenden Köpfe.

Zentaurus
Vierfüßiges Fabelwesen aus menschlichem Oberkörper und Pferdeleib. Das lüsterne Naturwesen lebte in den Gebirgen Arkadiens und Thessaliens.

Sirenen
Sirenen sind Todesdämonen, Mädchen mit Vogelleibern der griechischen Mythologie. Bei Odysseus sind sie Meeresdämoninnen, die auf einer Insel hausen und Seeleute durch ihren Gesang in den Tod locken. In späteren Mythen erscheinen sie als Wesen halb Frau, halb Fisch, die zum Symbol der Unsterblichkeit geworden sind. Es war Kolumbus, der in der Nähe der Antillen Sirenen gesehen haben will. Das British Museum in London stellte im 18. Jahrhundert ein Exemplar aus, das vorgeblich in japanischen Gewässern gefangen worden war.

Zerberus
Der Höllenhund mit drei Köpfen und Schlangenschwanz aus der griechischen Mythologie. Er ist es, der die Menschen in den Hades eintreten, sie aber nicht wieder gehen lässt.