Heilige Berge – Orte der Götter


Von bestimmten Bergen fühlten sich die Urvölker besonders angezogen. Eine eigenartige Kraft schien von dort auszugehen. Man sah in ihnen Verbindungsstätten zu den Göttern und himmlischen Mächten, über die sie Kontakt nit den Menschen pflegten. Vielleicht waren die heiligen Berge die ersten Bereiche, die aus der gewöhnlichen Welt ausgesondert wurden. Ehrfürchtig musste man sich ihnen nähern. „Tritt nicht heran“, sprach der Herr zu Moses, „ziehe die Schuhe von den Füßen, denn die Stätte, darauf du stehst, ist heiliges Land.“

Berg der Schöpfung
In Kalifornien, an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, erhebt sich der Cuchama, „die erhabene Stätte“. Die Indianer glaubten, dass der Berg auf mysteriöse Weise errichtet wurde, damit die Menschen auf ihm mit den Göttern Zwiesprache halten mögen. Sie nennen ihn auch „Berg der Schöpfung“. Wo Himmelsgott und Erdmutter ihre heilige Hochzeit feierten, dort offenbaren sich auch heute noch die Himmlischen jenen Menschen, die mit dem „Auge des Herzens“ schauen können, wie die nordamerikanischen Indianer sagen.

Berg der Offenbarung
Auf den heiligen Bergen ereignen sich Offenbarungen und Inspirationen von Propheten. Auf dem Sinai hielt Moses mit dem Gott der Juden Zwiesprache und erhielt von ihm die Gesetzestafeln. Auch der Prophet Elias stieg auf einen Berg, wenn er mit Jahwe sprechen wollte. Jesus hielt die bedeutendste seiner Predigten bezeichnenderweise auf einem Berg und er wurde auf einem Berg verklärt. Der Engel Gabriel umfing Mohammed auf dem heiligen Berg Hera und gebot ihm, seine Prophetenrolle anzunehmen.

Wohnstätte der Götter
Dass Götter auf den Gipfeln hoher Berge wohnen, gehört zu den häufigsten mythologischen Motiven. Am bekanntesten sind wohl die Wohnstätten des griechischen Gottes Zeus auf dem Olymp und des indischen Shiva auf dem Kailas. Für die Hindus ist der Kailas der heiligste Berg, das Ziel vieler Pilgerreisen. Auch die sibirischen Stämme kennen heilige Berge. Bei den Jakuten ist es der Dzokuo-Berg und bei den Altaiern der „eiserne Berg“ Temir Taixa , deren Spitzen in den Himmel reichen. Adams Peak, der weithin sichtbare Berg in Sri Lanka gilt Hindus, Muslimen und Buddhisten gleichermaßen als heilig. Eine Hohlform im Gestein am Gipfel wird als Fußspur Adams oder Buddhas gedeutet.

Der Weltenberg
Ein heiliger Berg ist ein Spiegel des Kosmos. In der indischen Mythologie gilt der Berd Meru als die Heimat des vedischen Himmelsgottes Indra. Er steht im Zentrum des Universums. Auf seinem Gipfel befinde sich die viereckige goldene Stadt Brahmas. An seinen Ausläufern liegen die acht Städte der Lokapalas, der Wächtergötter, die über die acht Hauptrichtungen des Weltkreises herrschen. Unter dem Berg befinden sich die sieben niedrigen Welten, In der untersten lebt die Riesenschlange Vasuki. Sie trägt den Berg Meru und die anderen Welten. Am Ende eines Weltzeitalters vernichtet sie diese mit ihrem feurigen Atem.

Tai Shan
Bereits vor 4000 Jahren soll der legendäre Kaiser Shun am Berg Tai Shan („Erhabener Berg“) dem Himmel und der Erde Opfer dargebracht haben. Der Tai Shan ist der bedeutendste unter den fünf heiligen Bergen der Taoisten. Um zum Tempel des Jadekissens auf dem Gipfel des Berges zu gelangen, erklimmen die Pilger 7000 Stufen. Entlang des Weges sind die Wohnstätten zahlreicher Gottheiten, denen die Anhänger der Taoisten und Buddhisten ihre Verehrung erweisen.

Tempel-Berge
Durch die Zikkurats in Mesopotamien oder durch Pyramiden an anderen Orten – Bauwerken, die Bergen nachempfunden sind – versuchte man den Göttern näher zu kommen. Auch die Pyramiden sind Spiegelbilder des Kosmos. Ihre Stufen entsprechen Himmelstufen, der quadratische Grundriss den Himmelsrichtungen. Bei den Azteken und Maya befand sich ein Tempel auf dem Gipfel der Pyramiden, entsprechend der Götterwohnstatt auf einem heiligen Berg.